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Bilder sezieren

Wikimedia Commons: Porträt Heinrich Wölfflin 1924. Bild: Eduard Wasow

Nach Studien der Philosophie und Kunstgeschichte in Basel und München habilitierte sich der in Winterthur geborene Heinrich Wölfflin (1864–1945) am Deutschen Archäologischen Institut in Rom. Daraufhin wurde er als Nachfolger seines Lehrers Jacob Burckhardt (1818–1897) an den Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Basel berufen.

In seinem Werk widmete er sich vor allem der formalen Kunstbetrachtung. Er entwickelte eine für die Zeit prägende sowie umstrittene Stiltypologie, die sich gänzlich dem Bild verschrieb, losgelöst von seinen Erschaffenden. Damals galt, im Konkurrenzverhalten zu den Naturwissenschaften, eine möglichst systematische Lesart der Bilder zu entwickeln. Wölfflin lieferte dazu das Rüstzeug: Er stellte in seinem Grundlagenwerk Kunstgeschichtliche Grundbegriffe (1915) sich ergänzende Begriffspaare auf, um stilistische Übergänge zu beschreiben.

Auch nutzte er die neu verfügbare Technik auf geschickte Weise und verwendete als Erster zwei Projektoren in seinen Vorlesungen, um Kunstwerke aus verschiedenen Epochen direkt miteinander zu vergleichen. Die Bilder wurden also tatsächlich auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin seziert. Wölfflin hat auf diese Weise ein modernes, geschärftes Sehen entworfen, das den Weg ebnete für den kunsthistorischen Blick auf das kulturelle Ganze, der bis heute massgebend ist. Die Bedeutung seines Werks lässt sich im an der UZH angesiedelten Editionsprojekt zum 100-jährigen Jubiläum der Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe erkennen.

Die letzte Station von Wölfflins wissenschaftlicher Karriere war die Universität Zürich. Hier nahm er 1924 einen Ruf als Ordinarius ad personam an und blieb bis zu seiner Emeritierung 1934. Im Jahr 1941 wurde ihm zudem die Ehrendoktorwürde von der medizinischen Fakultät verliehen, mit der Laudatio «Dem Schöpfer einer ‘Naturgeschichte der Kunst’, dem Meister der Beschreibung künstlerischer Gestalt, dem Erzieher des menschlichen Auges zu methodischem Sehen». Im selben Jahr vermachte er dem Kunsthistorischen Seminar der Universität Zürich seine persönliche Bibliothek mitsamt Mobiliar und seine Fotosammlung sowie die von Edwin Scharff (1887–1955) gefertigte Büste, die fortan in der Aula steht. Eine zweite Büste wurde von Hermann Hubacher erstellt und wurde der UZH 1991 geschenkt.

(UAZ) AB.1.1137: Heinrich Wölfflin in Hermann Hubachers Werkstatt, ca. 1945. Bild: unbekannt

Für die Unterbringung der Bibliothek hat die Universität eigens die Hörsäle 102 und 103 des damaligen Standorts des Kunsthistorischen Seminars im ersten Stock des Kollegiengebäudes ausgebaut. Gemäss einem Schreiben der Erziehungsdirektion von 1941 war ursprünglich der Raum KOL-F-103 als Bibliotheksraum vorgesehen. Auch nachdem das Kunsthistorische Seminar in die alte Augenklinik gezogen war, blieb die Wölfflin-Bibliothek bis heute im benachbarten KOL-F-102 bestehen und wurde bei den Renovierungsarbeiten des Hauptgebäudes als Raumkunstwerk erhalten. Neben dem Mobiliar und den Büchern Wölfflins zählen dazu auch die Wandmalereien von Otto Baumberger (1889–1961), die während des Baus 1913 angefertigt wurden und die Kunstgeschichte bis heute symbolisch verorten.

  • KOL-F-102, 1913

    (UAZ) AC.2.2.01: Kunsthistorisches Seminar 1913. Bild: unbekannt

  • Wölfflin-Zimmer 2022

    Wölfflin-Zimmer 2022. Bild: Sandra Morach

Quellen

(UAZ) AB.1.1137 Dozierendendossier Heinrich Wölfflin

(UAZ) AF.1.572 Ehrendoktorat Heinrich Wölfflin

Egli, Jonas: Heinrich Wölfflin: Die Bilder vergleichbar machen | barfi.ch, 23.11.2015.