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«Biblisch anmutende Schlachten»

(UAZ) E.5.1.116: Die obere Mensa um 1969. Bild: André Melchior

Der Betrieb in der oberen Mensa sieht heute, abgesehen von steigenden Zahlen hungriger Studierender, kaum anders aus wie auf der Fotografie der frisch eröffneten Mensa 1969. Doch bereits damals war die Mensa für die Anzahl Studierenden zu klein. Deshalb sollten, so im uni intern (Vorgängerzeitschrift des UZH Journals) vermerkt, sich «alle Mensabenützer rational verhalten». Ein reibungsloser Betrieb ohne lange Warteschlangen könne nicht stattfinden, «wenn die Benützer unschlüssig sind, was sie essen wollen, oder wenn sie sich an der Kasse umständlich benehmen». Damit in der Mensa genügend Platz vorhanden sei, solle auch der Kaffee im Lichthof getrunken und das Kleingeld bereitgehalten werden.

Nun ist durch Kartenlesegeräte das Zahlen deutlich effizienter gestaltet, und die Verhaltensanweisungen von 1969 sind zu einem eingespielten Ablauf geworden. Heutzutage werden Studierende und Mitarbeitende der Universität Zürich von ihren Mensen regelrecht verwöhnt: Von veganen, vegetarischen, asiatischen über fleischhaltigen Optionen sind alle nur erdenklichen Angebote abgedeckt. Der Zürcherische Frauenverein betreibt bereits seit 1914 die Mensen der UZH und hat sich in den letzten Jahren stark um die Nachhaltigkeit des Essens gekümmert – bei solch privilegierten Umständen ist es für Viele unvorstellbar, dass in der UZH einmal Versorgungsschwierigkeiten herrschten.

ZS, Dezember 1962: «Selbst [...] dem Präsidenten des grossen Studentenrates (links) bleibt es nicht erspart, sein Essen mit den Würmern zu teilen!»

Als am 20. Juni 1969 die neue Mensa zwischen Kollegiengebäude und Künstlergasse feierlich eröffnet wurde, bedeutete dies das Ende eines lange andauernden Verpflegungsnotstandes an der Universität Zürich.

Konstatiert wurde ein solcher das erste Mal Anfang der 1960er Jahre. Seit dem Umbau des Untergeschosses des Kollegiengebäudes im Jahr 1951 bestand im Durchgangsbereich zur Doktor-Faust-Gasse ein Erfrischungsraum, wo warme – wenn auch nicht vor Ort gekochte – Mahlzeiten abgegeben wurden. Vor dem Hintergrund stetig steigender Studierendenzahlen und veränderter Essgewohnheiten waren die Kapazitätsgrenzen dieser Einrichtung aber schon bald überschritten. So liest man im Zürcher Student vom Dezember 1962, der Erfrischungsraum sei ein «Mittelding zwischen römischer Katakombe und Pariser Metrostation», wo man sich sein bisschen Essen in «fast biblisch anmutenden Schlachten» erkämpfen müsse, um dieses dann meist stehend oder am Boden kauernd zu verzehren.

An dieser Situation ändert sich auch durch den Einbau eines modernen Buffets und eine zunehmende Besetzung des Lichthofs mit Stühlen und Tischen wenig. Als sich 1965 das von der Universitätsleitung favorisierte Projekt einer Mensa unter der Terrasse südlich des Kollegiengebäudes als nicht finanzierbar erwies, griffen die Studierenden zur Selbsthilfe. Im Januar 1966 wurde im zweiten Stock des Hotels Pfauen am Heimplatz eine Notmensa eröffnet. Hier gab es in fünf ehemaligen Hotelzimmern für Fr. 2.50 ein warmes Mittagessen mit Wasser und Brot à discretion.

  • Neue Mensa 1969 bei Tag

    (UAZ) E.5.1.116: Neue Mensa 1969 bei Tag. Bild: André Melchior

  • Neue Mensa 1969 bei Nacht

    ... und bei Nacht. Bild: André Melchior

Eine endgültige Lösung der prekären Situation verhiess aber erst eine kurze Zeit später von Architekt Werner Frey eingebrachter Vorschlag, die Mensa nicht unterirdisch zu bauen, sondern mittels Terrassierung in den steil abfallenden Spickel zwischen Kollegiengebäude und Rechberggarten einzupassen. Damit reduzierten sich die Baukosten deutlich. Aber nicht nur die Kosten, auch die architektonischen Qualitäten des aus der Not geborenen Projekts vermochten zu überzeugen.

(UAZ) E.5.2.22: Aussenbereich der Mensa im Sommer 1984. Bild: unipressedienst

Auch 50 Jahre später profitieren Studierende und Angestellte der Universität von den beiden angenehm dimensionierten Räumen, in denen man sein Mittagessen bei Tageslicht und mit Blick ins Grüne zu sich nehmen kann.

(UAZ) E.5.2.22: Spielende Kinder auf der Betonplastik von Carlo Vivarelli, 1975. Bild: unipressedienst

Quellen

(UAZ) PUB.001.099 uni intern 1969-1973