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UZH Archiv

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An dieser Stelle präsentiert das Team des UZH Archivs in unregelmässigen Abständen kurze Beiträge zur Geschichte der Universität. Die Themen ergeben sich aus unserer täglichen Arbeit mit dem vielfältigen Archivgut der UZH.

 

Kleine Kunstwerke von Studierenden – das vielfältige Erscheinungsbild von Vorlesungsmitschriften

Sandra Morach

Seit jeher notieren sich Studierende während Vorlesungen die für sie relevanten Erkenntnisse und halten so das von den Dozierenden mündlich übertragene Wissen fest. Die Mitschriften dienen den Studierenden als ein wichtiges Instrument zur Wissensaneignung und -verarbeitung sowie zur Prüfungsvorbereitung. Abgesehen vom individuellen Nutzen stellen die Mitschriften aus historischer Perspektive wertvolle Zeitdokumente dar, die einen Einblick in die historische Lehre ermöglichen. Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf diese besonderen Dokumente zu werfen, von denen im UZH Archiv (UAZ) einige Exemplare aufbewahrt werden.

Das Verfassen von Vorlesungsmitschriften ist eine traditionelle Lernstrategie, die bis in die heutige Zeit zur Anwendung kommt. Die Notizen werden heute meist mit dem persönlichen Laptop, seltener von Hand festgehalten. Für gewöhnlich kann auf eine umfassende Mitschrift verzichtet werden, da die Dozierenden die Materialien zur Prüfungsvorbereitung elektronisch zur Verfügung stellen. Früher galt eine ausführliche Mitschrift als unerlässlich, um sich den Prüfungsstoff aneignen zu können. So überrascht es wenig, dass die Vorlesungsmitschrift als eine im 19. Jahrhundert besonders verbreitete Textsorte gilt. Wie begehrt die Mitschriften waren, zeigt sich am Umstand, dass damals mit diesen Dokumenten gehandelt wurde. Manche Studierenden sollen sich sogar ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Mitschriften finanziert haben.

Unter dem Begriff «Vorlesungsmitschrift» können unmittelbar während einer Vorlesung erstellte Mitschriften, aus solchen entstandene korrigierte Reinfassungen oder auch sich vom Vortrag etwas entfernende Ausführungen verstanden werden. Genau so unterschiedlich die Verfasserinnen und Verfasser der Mitschriften und die darin behandelten Themen sind, können auch Mitschriften selbst zu ein- und derselben Vorlesung in Inhalt und Gestalt stark variieren. Dies trifft beispielsweise auf den Umfang zu. Grundsätzlich gilt, dass das gesprochene Wort in schriftlicher Form nur gebrochen überliefert werden kann. Trotzdem konnte der Versuch unternommen werden, das Referierte mit einem Anspruch auf grösstmögliche Vollständigkeit festzuhalten, was sehr umfassende Mitschriften zur Folge haben konnte. Vorlesungsmitschriften können aber auch weniger umfangreich sein, indem die Verfasserin oder der Verfasser sich auf das Wichtigste beschränke oder Schwerpunkte setzte. Selbstverständlich ist dies dann bis zu einem gewissen Grad eine subjektive Wahl. Auch persönliche Notizen und Ergänzungen konnten in den Mitschriften Eingang finden.

Eine subjektive Note macht sich vor allem durch die stilistischen und gestalterischen Aspekte bemerkbar. In stilistischer Hinsicht kann der referierte Vorlesungsstoff sprachlich korrekt und vollständig ausformuliert oder auch in unvollständigen Sätzen wiedergegeben sein. Auch Kurzschriften kamen zum Einsatz (Stenografie). Die Wahl dieser Schriften ermöglichte es bei der Abfassung Zeit einzusparen und dadurch das Vorgetragene in einer grösseren Vollständigkeit festhalten zu können. Manche Vorlesungsmitschriften sind fein säuberlich und in leserlicher Schrift verfasst, andere sind nur schwer entzifferbar. In gewissen Fachbereichen (z.B. Kunstgeschichte oder im medizinischen Bereich) wurden Mitschriften zur Veranschaulichung des Festgehaltenen mit Zeichnungen oder Skizzen angereichert. Mitschriften gibt es in der Form von Manuskripten oder auch als Typoskripte. Sie können gebunden sein oder es kann sich um lose Blätter handeln.

Im UAZ sind Mitschriften in unterschiedlichen Beständen enthalten. Der Bestand DOK.006 Lehrveranstaltungen in der Abteilung «Dokumentationen und Sammlungen» umfasst sowohl Vorlesungsmitschriften von Studierenden als auch Vorlesungsskripts von Dozierenden. Den Ausgangspunkt dieses Bestandes bildeten verschiedene Vorlesungsmitschriften der Rechtswissenschaftlichen Fakultät sowie Vorlesungsskripts von Dozierenden der Rechtswissenschaften, die von der Dokumentationsstelle für Universitätsgeschichte (DUG) an das UAZ gelangten. Diese Sammlung von Mitschriften und Skripts wurde bereits mit einer weiteren Ablieferung von Mitschriften ergänzt. Sie wird laufend erweitert, wenn lose Mitschriften und Skripts dem UAZ abgegeben werden. Daneben sind in verschiedenen Privatarchiven Vorlesungsmitschriften enthalten (u.a. in den Nachlässen von Peter Frei, Paul Moor und Fritz Silten). Vorlesungsmitschriften kommen auch in bis anhin noch unerschlossenen Beständen im UAZ vor. Bei der Erschliessung wird jeweils versucht, die Mitschrift exakt einer Vorlesung zuzuordnen, die anhand der Vorlesungsverzeichnisse eruiert werden kann. Die im UAZ archivierten Mitschriften sind ungefähr in einem Zeitraum zwischen 1910 und 1980 entstanden. Sie decken unterschiedliche Fachrichtungen ab: u.a. Geschichte, Kunstgeschichte, Rechtswissenschaften und Veterinärmedizin.

(UAZ) AKZ 2017-048: Mitschrift von Curt Eckert, Veterinärmedizin

Das erste Beispiel stammt aus einer Mitschrift aus dem Fachbereich Veterinärmedizin. Es widmet sich dem Thema Zähne, dargestellt ist der Kopf eines Rindes. Die Mitschrift wurde in der Vorlesung «Anatomie, I. Teil (1. Hälfte): Knochen, Bänder und Zähne» bei Prof. Eberhard Ackerknecht im Wintersemester 1923/24 angefertigt. Der Verfasser der Mitschrift ist der Student Curt Eckert. Die Mitschrift enthält zahlreiche Zeichnungen und schematische Darstellungen. Diese scheinen primär einen funktionalen Zweck zu erfüllen und das Gelernte optisch zu veranschaulichen.

(UAZ) PA.037.008: Mitschrift von Peter Frei, Klassische Altertumswissenschaft

Im Nachlass des Althistorikers Peter Frei sind diverse Mitschriften aus seiner eigenen Studienzeit überliefert. Er arbeitete in seinen Mitschriften oft mit tabellarischen Übersichten, Aufzählungen, schematischen Darstellungen und Zeitleisten. Als Beispiel dient hier eine Übersicht von Diphthongen. Die Mitschrift ist im Rahmen der Vorlesung «Historische griechische Lautlehre» im Wintersemester 1945/46 bei Prof. Manu Leumann entstanden.

(UAZ) PA.034.041: Mitschrift von Paul Moor, Heilpädagogik

Auch im Nachlass des Pädagogen Paul Moor sind Vorlesungsmitschriften enthalten. Die abgebildete Seite gehört zur Mitschrift, die Moor im Sommersemester 1934 zur Vorlesung «Einführung in die Heilpädagogik, I. Teil: Mindersinnigkeit, Geistesschwachheit» bei Prof. Heinrich Hanselmann verfasst hat. Die Besonderheit dieser Mitschrift besteht darin, dass sie in Kurzschrift – mit stenografischen Zeichen – abgefasst ist.

(UAZ) DOK.006.066: Mitschrift von Elisabeth Studer, Kunstgeschichte

Die Mitschriften im Fachbereich Kunstgeschichte von Elisabeth Studer fallen aufgrund ihres gestalterischen Wertes besonders auf. Sie sind in schöner Schrift verfasst, kaum etwas ist korrigiert. Besonders bemerkenswert sind die Zeichnungen, welche den Inhalt der Vorlesung illustrieren sollen. Die zum Teil sehr eindrücklichen und liebevoll detailliert erstellten Zeichnungen machen die Mitschriften zum Thema Kunstgeschichte selbst zu kleinen Kunstwerken. Das Beispiel stammt aus der Vorlesung «Rubens», gehalten von Prof. Emil Maurer im Sommersemester 1974.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei Vorlesungsmitschriften um spannende Dokumente handelt. Sollen sie doch einerseits im Allgemeinen und vielleicht auch mit einem gewissen Anspruch auf Objektivität den Stoff enthalten, der bei einer Vorlesung vermittelt wurde, andererseits können ihnen aber (bewusste oder unbewusste) subjektive Züge nicht abgesprochen werden, vor allem wenn das Augenmerk auf die Stilistik und Gestaltung gelegt wird. Neben dem individuellen Nutzen für die Verfasserin oder den Verfasser gewährt die Mitschrift einen historischen Einblick in den Hörsaal, indem festgestellt werden kann, welcher Stoff gelehrt wurde, wie der Unterricht aufgebaut war und auch wie sich die Studierenden das Wissen aneigneten. Es zeigt sich, dass sich einer Beschäftigung mit dieser Textsorte viel abgewinnen lässt, da die Mitschriften auf vielfältige Weise Erkenntnisse und Informationen in sich bergen.

(UAZ) DOK.006 [Online-Archivkatalog]

(UAZ) PA.034 Paul Moor [Online-Archivkatalog]

(UAZ) PA.037 Peter Frei [Online-Archivkatalog]

(UAZ) AKZ 2017-048

Jaeschke, Walter: Gesprochenes und durch schriftliche Überlieferung gebrochenes Wort. Zur Methodik der Vorlesungsedition. In: Scheibe, Siegfried/Laufer, Christel (Hgg.): Zu Werk und Text. Beiträge zur Textologie. Berlin 1991, S. 157-168.

Janssen, Matthias: Ueber Collegien und Collegienhefte. Anmerkungen zur Textsorte Vorlesungsmitschrift. In: Henkes, Christiane et al. (Hgg.): Schrift - Text - Edition. Hans Walter Gabler zum 65. Geburtstag. Tübingen 2003, S. 53-63.

 

Traditionsdesign: Siegel und Logo der Universität

Philipp Messner

Überlegungen zu Corporate Identity und Corporate Design spielen heute im Zusammenhang mit der internen und externen Kommunikation der UZH eine wichtige Rolle. Das ist noch nicht sehr lange so. Ein kurzer Rückblick auf die Bestrebungen, das Erscheinungsbild der Universität zu vereinheitlichen.

1932, im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Universität, fasste der Senatsausschuss den Beschluss, dass künftig amtliche Aktenstücke und Drucksachen der Universität Zürich wieder das alte Zentralsiegel tragen sollten. Auf diesem ist ein Fassadenbild des Zürcher Grossmünsters abgebildet, in dem am 20. April 1833 die Stiftungsfeier der Universität stattgefunden hatte.

Universitätssiegel im Druck, Ausführung von 1932 und 1991

Der Gebrauch des Siegels blieb in den folgenden Jahren aber weitgehend auf eine kleine Anzahl offizieller Dokumente und Publikationen beschränkt. Als Briefkopf und Erkennungszeichen fand bis in die 1980er-Jahre im Rektorat und der Zentralen Verwaltung vor allem ein an das Vollwappen des Kantons Zürich angelehntes Signet Verwendung.

Briefinsignie 1926
«Briefinsignie» 1926, als Quasi-Logo in Gebrauch bis in die 1980er-Jahre

Das Kantonswappen bildete auch die Grundlage für ein modernes Logo, das der Universitätsleitung an ihrer Sitzung vom 25. April 1991 als Vorschlag unterbreitet wurde. Dem entsprechenden Protokoll zufolge, wurden die vorgestellten Entwürfe kontrovers kommentiert und nach eingehendender Diskussion verworfen. Es wurde stattdessen beschlossen, das jetzige Siegel «durch einen Spezialisten nach den Möglichkeiten der Kunst modernisieren zu lassen und damit für die verschiedenen Bereiche (Briefköpfe, Inserate, Diplome) anwendungsgerechter zu gestalten». Für die Beibehaltung des Siegels als Erkennungszeichens sprach für die Universitätsleitung, dass es «auf würdevolle Weise die Unterscheidung der Universität von einer Amtsstelle oder einer Firma [ermögliche]».

Logo Vorschlag 1991
Verworfener Vorschlag für ein modernes Logo, 1991

Die Umsetzung der von der Universitätsleitung beschlossenen Modernisierung fiel dann allerdings eher zaghaft aus. Erst im Rahmen der Neugestaltung des Webauftritts der Universität 1997 wurde das Siegel kontrastreicher ausgestaltet und grafisch verbessert. Diese Version fand dann auch Eingang in die 1999 erarbeiteten Gestaltungsrichtlinien für eine einheitliche Beschriftung der universitären Bauten. Das Siegel wurde hier mit dem Schriftzug «Universität Zürich» zum eigentlichen Logo erweitert. Zum Einsatz kam dabei die Schrift Frutiger, ein Klassiker der Schweizer Typografie.

Logo 2001
Logo der Universität, 2001

In einer leicht revidierten Fassung wurde das Erkennungszeichen 2001 schliesslich für alle Organisationseinheiten auch bei Drucksachen und für die geschäftliche Korrespondenz bindend. Gleichzeitig wurde die hier verwendete englaufende Frutiger 47 Light Condensed zur Hausschrift der UZH erklärt.

2010 wurde das vergleichsweise feine Logo der Universität grundlegend überarbeitet mit dem Ziel eine bessere visuelle Präsenz zu erreichen. Das betraf neben dem Schriftzug auch das Siegel, welches aus Traditionsgründen weiterhin beibehalten aber erneut deutlich vereinfacht wurde.

Die aktuellen Vorlagen finden sich online unter www.cd.uzh.ch/de.html.

(UAZ) E.5.1.152: Logo der Universität Zürich (1989–1990) [Online-Archivkatalog]

(UAZ) E.5.3.098: Schaffung eines Webdesks (1998–1999) [Online-Archivkatalog]

(UAZ) H.1.028: Gestaltungsrichtlinien für Informationsträger in den Bauten der Universität (1998–1999) [Online-Archivkatalog]

(UAZ) PUB.001.106: unicommunication / Kommunikation:  Diverse Amtsdruckschriften (2001–2018) [Online-Archivkatalog]

Otto Fridolin Fritzsche – ein deutscher Professor an der jungen Universität Zürich

Inge Moser

Die Universität Zürich besetzte viele Lehrstühle in den ersten Jahren nach der Gründung mit Professoren aus Deutschland, darunter der Theologe Otto Fridolin Fritzsche (1812–1896). Sein Nachlass gibt Einblick in das damalige Zeitgeschehen und die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz.

Otto Fridolin Fritzsche
(UAZ) AB.1.0290: Otto Fridolin Fritzsche, ca. 1860

In den letzten zehn Jahren wurde aufgrund eines hohen Anteils an Deutschen unter den Dozierenden verschiedentlich eine «Germanisierung» der Universität beklagt. Diese Debatte ist nicht neu. Sie wurde bereits im 19. Jahrhundert geführt. Damals wie heute ist der Mangel an einheimischen Gelehrten der Hauptgrund für die grosse Zahl deutscher Professoren und Professorinnen in der Schweiz. Im 19. Jahrhundert sorgten jedoch vor allem die politischen Spannungen in Europa dafür, dass Gebildete aus deutschen Staaten als politische Flüchtlinge in die Schweiz zogen.

Als Folge der französischen Julirevolution von 1830 bekamen in den europäischen Monarchien republikanische Bewegungen verstärkt Aufwind. In mehreren deutschen  Staaten kam es zu Unruhen, wobei auch liberal gesinnte Lehrkräfte an den Universitäten unter Druck gerieten. Gleichzeitig wurden 1833 in Zürich und 1834 in Bern neue Universitäten gegründet, die sich um renommierte Fachkräfte aus dem deutschsprachigen Raum bemühten. Einer von ihnen war der Theologe Otto Fridolin Fritzsche. Fritzsche hatte im sächsischen Halle studiert und sich dort 1836 habilitiert. 1837 folgte er dem Ruf nach Zürich und wurde als Nachfolger von Johannes Schulthess (1763–1836) Professor für Neues Testament.

Allem Anschein nach gelang es Fritzsche gut, sich in Zürich einzuleben. 1842 erhielt er das Bürgerrecht in der Gemeinde Oberengstringen und nahm wenig später das Amt als Oberbibliothekar der kantonalen Lehranstalten auf, das er bis an sein Lebensende ausführte. 1848 heiratete er in Zürich Anna Marie Luise Zehnder (1825–1918). Zur gleichen Zeit kulminierte das Reformbegehren grosser Teile der Bevölkerung des damaligen Deutschen Bundes in der sogenannten Märzrevolution. Ihre Niederschlagung und die darauffolgende Verfolgung ihrer Anhänger bewog Zehntausende zur Flucht und liess die deutsche Exilgemeinde im liberalen Zürich entsprechend anwachsen.

Die politischen Umwälzungen in seiner Heimat verfolgte Fritzsche von der Schweiz aus. Er korrespondierte mit wissenschaftlichen Kollegen, die dort geblieben waren, und sammelte Schriften und Aufrufe verschiedener Parteien und Einzelpersonen, die in den Konflikt um die neue Regierungsform und der Verfassungsbildung in Preussen in den 1840er Jahren involviert waren. Gut vernetzt war er ebenfalls mit deutschen Kollegen in Zürich, was Korrespondenz, Separata und Dokumente zum Deutschen National-Verein Zürich und dem «Tonhallekrawall» von 1871 in seinem Nachlass zeigen.

Die umfangreiche Sammlung von Flugschriften zu Fragen der preussischen Verfassung von 1848 ist als Besonderheit zu erwähnen. Die Gattung der Flugschrift erlaubte es Bürgern zum aktuellen Zeitgeschehen Stellung zu nehmen und ihre Meinung zu verbreiten. Das geschah nicht selten in satirischer Form. Dass es sich nicht um isolierte Einzelmeinungen, sondern um einen gemeinsam geführten politischen Diskurs handelt, zeigt sich daran, dass nicht wenige Schriften in einem direkten Bezug zu anderen stehen oder sogar als Antwort verfasst wurden. Diese interessanten Zeitdokumente finden sich im kürzlich erschlossenen Bestand, der dem UZH Archiv zusammen mit dem Nachlass von Fritzsches Enkel, dem Juristen Hans Fritzsche (1882–1972), von Nachfahren geschenkt wurde. In den beiden Nachlässen lassen sich Spuren von vier Generationen der Fritzsches entdecken – von theologischen Schriftstücken und Urkunden aus dem 18. Jahrhundert bis hin zur Korrespondenz aus dem Aktivdienst während des Ersten Weltkriegs – von Dobrilugk bis Glarus, wobei Zürich und speziell die hiesige Universität als Wirkungsort von Grossvater und Enkel eine zentrale Rolle spielte.

(UAZ) PA.044: NL Otto Fridolin Fritzsche (1812-1896) [Online-Archivkatalog]

(UAZ) PA.042: NL Hans Fritzsche (1882-1972) [Online-Archivkatalog]

  • Flugschriften 1

    (UAZ) PA.044.036

  • Flugschriften 2

    (UAZ) PA.044.037

Akademische Selbstdarstellung um 1914

Philipp Messner

In den vom UZH Archiv verwahrten rund 2000 Dossiers mit Unterlagen zu den ehemaligen Dozierenden der Universität Zürich finden sich immer wieder auch fotografische Porträts. Eine Besonderheit stellt eine umfangreiche Serie dar, welche den akademischen Lehrkörper 1913/14 nahezu komplett erfasst.

Im Januar 1913 wandte sich der Zürcher Fotograf Franz Schmelhaus an das Rektorat der Universität Zürich mit dem Angebot, eine «Kunstmappe» mit den Bildern «sämtlicher Universitätsprofessoren» herauszugeben «bei kostenloser Aufnahme im Atelier oder im Hause». Ein Exemplar der Mappe würde der Universität anlässlich der Feier ihres Umzugs in den Neubau an der Rämistrasse offiziell geschenkt. Der Verkauf weiterer Exemplare würde dem Abwart übertragen, wobei der Reinertrag einer Unterstützungskasse bedürftiger Studierender zukommen sollte.

Die der Universität geschenkte Mappe enthält nicht nur Porträts der zu diesem Zeitpunkt an der Universität beschäftigten ordentlichen (59) und ausserordentlichen (20) Professoren sondern auch von einem Grossteil der Privatdozentinnen und Privatdozenten (77) – wobei die Frauen in dieser Gruppe im WS 1913/1914 nur durch die Germanistin Adeline Rittershaus (habilitiert 1902) und die Zoologin Marie Daiber (habilitiert 1913) vertreten sind.

Die Schmelhaus‘sche Mappe wurde von der Universität nicht als Ganzes aufbewahrt, sondern zu einem nicht mehr rekonstruierbaren Zeitpunkt in ihre Einzelteile zerlegt und die einzelnen Fotografien den «Dozierendendossiers» zugeordnet. In diesen wurden vor 1998 im damaligen Rektoratsarchiv sämtlichen Unterlagen einer bzw. eines ehemaligen Dozierenden zusammengefasst – ungeachtet der ursprünglichen Provenienzen des Archivguts. Auch wenn damit die ursprünglichen Entstehungszusammenhänge der Dokumente verwischt wurde, bieten die Dozierendendossiers einen guten Einstieg in die Recherche zu einzelnen der zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die an der Universität Zürich seit 1833 gelehrt und geforscht haben. Entsprechend häufig wird der rund 2000 Einheiten umfassende Bestand «AB Dozierendenakten» im UZH Archiv benutzt.

Nachgefragt werden daraus nicht zuletzt auch regelmässig Porträts von ehemaligen Dozierenden der Universität zur Verwendung in Publikationen oder im Zusammenhang von Ausstellungen. In solchen Fällen wird das Bild jeweils gescannt und in digitaler Form bereitgestellt. Sofern die Bilder gemäss Urheberrecht gemeinfrei sind werden die in diesem Rahmen entstandenen Digitalisate seit kurzem über die Plattform Wikimedia Commons zur freien Verfügung gestellt (Wikimedia Commons: Images from the UZH Archives). Die Plattform dient zur Aufbewahrung von Material für die freie Enzyklopädie Wikipedia. Auf Wikipedia werden mit den vom UZH Archiv hochgeladenen Fotografien vor allem bereits bestehende biographische Artikel angereichert. Möglicherweise animiert das Vorhandensein der Bilder die Wikipedia-Community auch dazu, aktuell noch fehlende Personeneinträge neu anzulegen.

Im Falle von Schmelhaus’ Fotografien erlaubt die Digitalisierung der Bilder aber nicht zuletzt auch ihren ursprünglichen Zusammenhang wieder sichtbar zu machen ohne die Dozierendendossiers in ihrer aktuellen Form auflösen zu müssen. Liegt doch in der Gesamtschau des Lehrkörpers der Universität zu einem bestimmten Zeitpunkt, den die Schmelhaus’schen Mappe erlaubte, ein Mehrwert jenseits der isolierten Präsentation einzelner Fotografien. Eine besondere Qualität liegt darin, dass die Porträts alle um die gleiche Zeit und unter ähnlichen Bedingungen entstanden. Als historische Bildquellen geben die Fotografien Hinweise auf die Selbstdarstellung des «Homo academicus» (im Sinne des Soziologen Pierre Bourdieu) und könnten beispielsweise eine Untersuchung zum disziplinären Habitus in der Zeit um 1914 entscheidend bereichern. Zumindest scheinen die folgenden Bildbeispiele ebenso auf eine Gruppenidentität (die der Nationalökonomen, der Pathologen, der Physiker) zu verweisen wie auf eine rein individuelle Inszenierung.

  • Theodor Vetter

    (UAZ) AB.1.1047

    Prof. Theodor Vetter (1853–1922), Englische Sprache und Literatur

  • Joseph Esslen

    (UAZ) AB.1.0231

    Prof. Joseph Eßlen (1879–1935), Nationalökonomie

  • Otto Busse

    (UAZ) AB.1.0152

    Prof. Otto Busse (1867–1922), Pathologische Anatomie, Histologie

  • Simon Ratnowsky

    (UAZ) AB.1.0781

    PD Simon Ratnowsky (1884–1945), Theoretische Physik

Der Briefnachlass von Andreas Bertalan Schwarz und die Türkei als Exilland für deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Sandra Morach

Der deutsche Rechtswissenschaftler Andreas Bertalan Schwarz galt als ein hoch gebildeter Gelehrter und engagierter Dozent. Das antike Recht, die Papyrologie und die Rechtsvergleichung verdanken Schwarz bedeutungsvolle Beiträge. Seine erste Stelle als ordentlicher Professor für Römisches Recht und Bürgerliches Recht trat er an der Universität Zürich an, wo er von 1926 bis 1930 tätig war. Einschneidend in seiner Biografie und beruflichen Laufbahn sind die Jahre ab 1933. Nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen hatten, wurde Schwarz aufgrund seiner jüdischen Abstammung das Amt an der Universität Frankfurt am Main, welches er damals bekleidete, entzogen. Wie viele andere deutsch-jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler emigrierte er in die Türkei.

Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jüdischer Herkunft war die Lage im Deutschen Reich 1933 schwierig geworden. Durch das im April dieses Jahres erlassene «Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums» konnten Beamte «nichtarischer Abstammung» aus ihrem Dienst entlassen werden. Zahlreiche Akademikerinnen und Akademiker verloren so ihre Arbeit. Um weiter wissenschaftlich tätig sein zu können, emigrierten viele von ihnen ins Ausland, so auch Andreas Bertalan Schwarz. Er lehrte ab 1934 als ordentlicher Professor an der Universität in Istanbul. Zu jener Zeit wurden in der Türkei zahlreiche Reformen durchgeführt. Das Ziel war es die türkische Gesellschaft zu «verwestlichen» und neue Hochschulen nach europäischem Vorbild zu errichten. Aus diesem Grund waren die deutschen Gelehrten in den türkischen Universitäten als Fachkräfte überaus gefragt. Viele deutsch-jüdische Gelehrte nutzten diese Gelegenheit und trugen so zur Entwicklung des türkischen Hochschulwesens und ganz allgemein zur Modernisierung der Türkei bei. Eine wesentliche Rolle bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen in die Türkei spielte der deutsch-jüdische Neuropathologe Philipp Schwartz und die von ihm in Zürich gegründete und geleitete Organisation ‹Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland›. Das Ziel dieser Organisation war die Arbeitsvermittlung ins Ausland. Schwartz stellte Kontakte her und suchte nach Lösungen, damit die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer neuen Anstellung im Ausland weiterarbeiten konnten. Philipp Schwartz selbst war wie Andreas Bertalan Schwarz aufgrund seiner jüdischen Abstammung in Frankfurt am Main fristlos entlassen worden und setzte später seine wissenschaftliche Tätigkeit in der Türkei fort. Ob Andreas Bertalan Schwarz durch die Vermittlungsarbeit von Philipp Schwartz seine Anstellung in Istanbul fand ist nicht bekannt. Die Erfahrungen der deutschen Akademikerinnen und Akademiker im türkischen Exil wurden 2015 auch im sehenswerten Dokumentarfilm «Haymatloz» von Eren Önsöz behandelt.

(UAZ) PA.035.063: Stellungnahme von Schwarz zu seiner Entlassung.

Der umfangreiche Briefnachlass Schwarz gelangte über die Dokumentationsstelle für Universitätsgeschichte (DUG) zur langfristigen Aufbewahrung in das UZH Archiv. Er umfasst eingehende Korrespondenz aus dem Entstehungszeitraum von 1911 bis 1969. Ebenfalls enthalten sind Briefe und Postkarten an seine Frau Ruth Schwarz, welche sie nach dem Tod ihres Mannes erhalten hat. Viele der Briefe an Andreas Bertalan Schwarz sind handschriftlich verfasst und gut erhalten. Durch seine Tätigkeit in Istanbul sah sich Schwarz mit einer anderen Kultur und Sprache konfrontiert. Dies hat ihn und seine Arbeit geprägt. In seiner Tätigkeit in Istanbul hat er die deutschen Wissenschaften im Ausland auf beispielhafte Weise repräsentiert und mitgeprägt wie Walther Kranz, der mit Schwarz an der Universität Istanbul zusammengearbeitet hat, in einem Nachruf auf Schwarz betont. Im Briefnachlass Schwarz macht sich die Exil-Erfahrung vor allem durch die enthaltenen türkischen Schriftstücke bemerkbar. Andreas Bertalan Schwarz war nur für einen kurzen Zeitraum in Zürich tätig, daher ist es glücklichen Umständen zu verdanken, dass der Briefnachlass, der das Werk und das bewegte Leben dieses Wissenschaftlers dokumentiert, ins UZH Archiv gelangt ist.

Dem UZH Archiv ist es ein Anliegen, dass die Nachlässe gut vernetzt sind, sodass Interessierte sie rasch ausfindig machen können. Zu diesem Zweck wird einerseits der Kalliope-Verbund genutzt, ein von der Staatsbibliothek Berlin betriebenes Nachweisinstrument für Nachlässe, andererseits Wikipedia. Das UZH Archiv erachtet die Nutzung der freien Online-Enzyklopädie als sehr sinnvoll, da Wikipedia bei einer Recherche oftmals als erste Anlaufstelle dient.

(UAZ) PA.035: NL Andreas B. Schwarz (1886–1953) [Online-Archivkatalog]

Das Erbe der Dokumentationsstelle für Universitätsgeschichte

Philipp Messner

Von 1972 bis 1997 bestand an der Universität Zürich die «Dokumentationsstelle für Universitätsgeschichte» (DUG). Sie verstand sich als Ergänzung zu einem Universitätsarchiv, das sich weitgehend auf die Überlieferung der universitären Administration beschränkt hatte.

Die DUG war auf Anregung des Rechtshistorikers Karl S. Bader und des mit ihm befreundeten Altphilologen Heinz Haffter gegründet worden, um – in Baders Worten – «das Universitätsarchiv auf die wissenschaftliche Seite hin zu erweitern». Als Universitätsarchiv wurden damals die Altbestände des Rektoratsarchivs verstanden. Die Ablage wurde betreut von einem Mitarbeiter der Kanzlei, der daneben auch für die Hörsaaldisposition verantwortlich war. Da nicht zwischen öffentlichen und noch nicht öffentlichen Unterlagen getrennt wurde, war das Archiv der historischen Forschung nur sehr begrenzt nutzbar. In den späten 1960er-Jahren wurde die fehlende Archivpolitik von der Verwaltung der Universität als Problem erkannt. Dabei stand allerdings weniger die Öffentlichkeit als das administrative Eigeninteresse im Fokus. Der damalige Universitätssekretär Ernst Spillmann beklagt in einem Schreiben um 1968, «dass die Universität über sich selbst […] zu wenig dokumentiert ist» und schlägt vor, eine Instanz zu schaffen, die sich eine Übersicht über alle an der UZH vorhandenen Dokumentationsmittel und Archivbestände verschaffen und allmählich eine «zentrale Dokumentation» aufbauen soll. Dieses Projekt verlief aber vorerst im Sande.

Die Dokumentationsstelle, die 1972 gegründet wurde, verdankte sich weniger solchen Überlegungen als Professor Baders privatem Interesse an Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Ohne institutionelle Verankerung hatte dieser angefangen, eine «Sammelstelle zur Aufbewahrung von Schriftgut, das in der Amtsregistratur keinen Platz fand» zu betreiben, wie er 1996 in einem Rückblick schreibt. Baders Sammlungen waren im Dachgeschoss des «Schnäggli» an der Schönberggasse 15a untergebracht, das bis zu dessen Tod 1969 vom emeritierten Strafrechtsprofessor Hans Felix Pfenninger genutzt worden war, als dessen Nachlassverwalter sich Bader betätigte. Die hinterlassenen und  gesammelten Unterlagen wurden vorerst weiter ehrenamtlich vom 1975 emeritierten Rechtshistoriker betreut, bis 1980 seine ehemalige Assistentin und Doktorandin Verena Stadler-Labhart die Leitung der «Dokustelle» übernahm. In den folgenden 16 Jahren beantwortete Stadler-Labhart Anfragen aus aller Welt, kümmerte sich um die Katalogisierung einer kleinen Bibliothek und pflegte die eigentliche Dokumentation – eine thematisch gegliederte Ablage unselbständiger Literatur zu verschiedenen Aspekten der Universitätsgeschichte. Eine zentrale Aufgabe war daneben das Sammeln von unikalem Überlieferungsgut in Form von Nachlässen bzw. Privatarchiven von mit der UZH verbundenen Personen. Die DUG verstand sich dabei als «subsidiäre Auffangstelle» von solch zerstreutem und nicht selten von Vernichtung bedrohtem Material. Dank eines weit über ihr bescheidenes Pensum hinausgehenden Engagements der Leiterin und der guten Kontakte ihres Mentors konnte durch die DUG eine Reihe bedeutender Gelehrtennachlässe gesichert werden.

Schnäggli 2018
Das um 1664 erbaute «Schnäggli» in dessen Obergeschoss sich zwischen 1972 und 1997 die Dokumentationsstelle für Universitätsgeschichte befand.

Die Pensionierung von Stadler-Labhart, verbunden mit dem Verlust der Räumlichkeiten im «Schnäggli», brachten 1997 das jähe Ende der Einrichtung. Die Unterlagen der DUG wurden ins UZH Archiv übernommen. Auch wenn die vollständige archivische Erschliessung dieses Materials bis heute noch nicht abgeschlossen ist, wurde doch ein Grossteil der von der DUG akquirierten Nachlässe in der Archivdatenbank verzeichnet und auch im Kalliope Verbundkatalog ausgewiesen.

Anders als zur Zeit der Gründung der DUG ist die Übernahme und Archivierung von «nichtamtlichem Überlieferungsgut» heute integraler Teil der Aufgaben des UZH Archivs – lässt sich doch die Tätigkeit der Universität in ihrer institutionellen Besonderheit einzig mit Akten aus der Verwaltung kaum hinreichend dokumentieren. Aus diesem Grund wurde unter anderem ein Sammlungskonzept für Privatarchive (PDF, 107 KB) erarbeitet, auf dessen Grundlage das Erbe der DUG im UZH gezielt weiterentwickelt werden soll. Ist doch die Geschichte der Universität auch aus archivischer Perspektive sinnvoll nur als gemeinsame Geschichte aller ihrer Mitglieder zu verstehen.

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